NetzDG erklärt

Von Rechts wegen: Was steht hinter dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz?

Beim Thema Einschränkung der Medienfreiheit zeigen wir gerne mit dem Finger auf andere Länder. Aber auch in Deutschland liegt einiges im Argen. Stephan Dirks, Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht, erklärt in der aktuellen Ausgabe seine Rubrik „Von Rechts wegen“ was eigentlich hinter dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz steckt und wieso dieses Schwierigkeiten an unserer eigenen Wahrnehmung aufzeigt.

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Nehmen wir folgendes Szenario an: Die Türkei kündigt an, ein Gesetz zu erlassen, welches für das Verbreiten strafbarer Falschmeldungen für Medienanbieter eine Geldbuße von bis zu 50 Millionen Euro vorsieht. „Derzeit würde ich mich nicht einmal mehr darüber wundern, wenn türkische Regierungsmitglieder mit dem Fallschirm über Bochum abspringen“, denken Sie da vielleicht. Oder: „Dass es in der Türkei mit den Medienfreiheiten nicht weit her ist, ist dagegen nichts Neues“. Das wäre eine sehr nachvollziehbare Reaktion. Vielleicht würde sie etwas anders ausfallen, wenn ich den Sachverhalt leicht abwandle. Ersetzen Sie „Türkei“ durch „Deutsche Bundesregierung“, und schon ist aus dem Gedankenspiel eine zutreffende Information geworden. Denn von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in den vergangenen Wochen an einem Gesetzentwurf gewerkelt, der Mitte März an die Öffentlichkeit „leakte“: Der Referentenentwurf für ein „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, kurz „NetzDG“, soll zukünftig helfen, „Fake-News“ und deren Verbreitung über die sozialen Netzwerke einzudämmen. Der Zeitpunkt des Entwurfs ist wohl alles andere als zufällig, denn es stehen Wahlen an und „russische Einflussnahme“ wird befürchtet.

Ziel: Hasskriminalität bekämpfen

Das Ziel des Entwurfs ist im Ansatz durchaus ehrenwert. „Hasskriminalität“ soll bekämpft werden. Meines Wissens taucht der Begriff hier übrigens erstmals im deutschen Recht auf. Dazu sollen nunmehr die großen „Plattformen“ – nämlich solche, die zwei Millionen registrierte Mitglieder oder mehr haben – in die Pflicht genommen werden. Unter anderem regelt der Entwurf den „Umgang mit Beschwerden“ durch den jeweiligen Anbiete recht kleinteilig. Kern ist die Verpflichtung, auf Beschwerden der Nutzer innerhalb kurzer Frist mit Löschung von Inhalten zu reagieren, nämlich innerhalb von 24 Stunden bei „offensichtlich“ rechtswidrigen und innerhalb von 7 Tagen bei, naja, sagen wir „normal“ rechtswidrigen Inhalten. Wobei die „Rechtswidrigkeit“ am Verstoß gegen bestimmte Straftatbestände, unter anderem dem der Beleidigung festgemacht wird. Wird hiergegen verstoßen, so drohen bis zu 50 Millionen Euro Bußgeld. Autsch.

Durch das Bußgeldverfahren wird der Justiminister zum Facebookminister. Dem derzeitigen Minister Maaß mag das entgegenkommen, denn er geriert sich ja seit geraumer Zeit bereits als solcher. Die Frage ist nur: Ist das Ganze gut?

Natürlich, das kann man wie immer so oder so sehen. Die einen sind eher bereit, ihre Freiheit für etwas mehr (vermeintliche) Sicherheit aufzugeben als andere. Und das Argument der letzteren, nachdem es ja längst genügend bestehende Gesetze gäbe, mit denen die sogenannte „Hasskriminalität“ in den Griff zu bekommen wäre, lässt sich sehr gut gegen denjenigen wenden, der es einsetzt: Denn wenn es bereits Gesetze gibt, die das, was das NetzDG verhindern möchte, verbieten – dann kann das NetzDG ja so schlimm auch wieder nicht sein!

Wäre es aber eben doch: Neben der schwammigen bis schlampigen Definition des „Sozialen Netzwerks“ – unter den nach meiner Ansicht sogar Webmailprovider und „Hasskriminalität“ in Emails fallen würden – ist es die Tatsache, dass die Entscheidung über „Löschen“ und „Nicht löschen“ faktisch gerichtlicher Kontrolle entzogen und in die Hände von „Nutzern“ und dem Justizministerium und damit letztlich der Regierung gelegt würde. Das widerspricht nicht nur dem System der Medienaufsicht. Die aberwitzige Bußgeldandrohung würde, wenn der Entwurf Gesetz wird, letztlich dazu führen, dass der Grundsatz „im Zweifel für die Freiheit“ in sein Gegenteil verkehrt würde: Im Zweifel eben lieber löschen.

Alternative: Keine

Treuherzig stellt der Referentenentwurf fest, dass es für das Ziel der Bekämpfung von „Hasskriminalität“ und „Fake-News“ natürlich „keine Alternative“ als eben diesen Entwurf gäbe. Dass das stimmt, sollten wir nicht hoffen. Denn dann wären wir dem Ende des freien Internets wieder ein Stück nähergekommen.

Zur Person

Stephan Dirks ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in der Kanzlei Dirks mit Sitz in Hamburg und Kiel. Im Web finden Sie ihn unter www.dirks.legal.

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"Hasskriminalität" ist weder rechtlich noch anderweitig operationalisiert. Es handelt sich um die Ideologie gestützte Freiheit, Meinungen löschen zu können. Die Bundesregierung setzt zur "Hassbekämpfung" auf die massive finanzielle Unterstützung politisch kämpfender Vereine, die über die Stigmatisierung/Nazifizierung von regierungsablehnenden Meinungen zum Wohl der Regierung wirken. Meldet sich so eine Kampfeinheit bei Facebook und Twitter, dann ist die Meinungslöschung schon umgesetzt.

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