Bildung
Proteste gegen Sparübungen: Schüler gehen in fünf Städten auf die Strasse

In fünf Städten gehen heute Schülerinnen und Schüler orchestriert auf die Strasse: Mit Grossaufmärschen protestieren sie gegen Sparmassnahmen an den Schulen.

Dennis Bühler
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Am 20.März demonstrierten bereits in Bern Hunderte gegen Sparmassnahmen in der Bildung. Heute gibt es Proteste auch in Aarau, Basel, Genf, Luzern und Zürich.

Am 20.März demonstrierten bereits in Bern Hunderte gegen Sparmassnahmen in der Bildung. Heute gibt es Proteste auch in Aarau, Basel, Genf, Luzern und Zürich.

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Es dürfte Schüler geben, die froh wären, wenn es weniger Physik- und Mathematikunterricht gäbe. Samuel Zbinden gehört nicht zu ihnen. Zwar verzichtet der 18-jährige Gymnasiast aus dem luzernischen Sursee heute Nachmittag auf je eine Lektion der beiden Fächer. Doch Zbinden schwänzt nicht – er engagiert sich für einen höheren Zweck: Gemeinsam mit voraussichtlich mehreren tausend Mitschülern in Luzern, Zürich, Aarau, Basel und Genf demonstriert er gegen Sparübungen im Bildungsbereich.

Erstmals wird gleichzeitig in fünf Städten protestiert. In Aarau findet die Kundgebung ab 13.15 Uhr auf dem Bahnhofplatz statt. In Basel startet sie um 15 Uhr auf dem Barfüsserplatz, in Zürich um 14 Uhr auf dem Bürkliplatz.

#KeLoscht lautet die Losung des Schülerkomitees. Sie lehnt sich an den inzwischen legendären Ausspruch von Bundesrat Ueli Maurer an, der so nach der Bundesratswahl 2015 vor laufender TV-Kamera seine fehlende Lust auf ein Interview kundtat. Und sie ist in Luzerner Dialekt gehalten, weil der Kampfgeist der Schüler ursprünglich in diesem Kanton geweckt wurde.

Keine Lust auf Leistungsabbau

Im letzten Jahr verordnete die Luzerner Regierung ihren Schülern eine Woche Zwangsferien, um vier Millionen Franken an Lehrerlöhnen einzusparen. «Der Kanton glaubte, sehr clever zu sein», sagt Zbinden, der für die Koordination der heutigen Demonstrationen verantwortlich ist. «Tatsächlich waren einige meiner Mitschüler zuerst der Ansicht, wir könnten einige Tage die Beine hochlagern.» Schnell aber sei es gelungen, sie zu überzeugen, dass sie von diesem Bildungsabbau auf lange Sicht alles andere als profitieren würden.

Lautstark protestierte die Luzerner Schülerschaft gegen die Regierung und das bürgerlich dominierte Parlament, das bei seiner Budgetberatung weitere Sparmassnahmen vorsah. Und sie begann sich zu vernetzen. In fast allen Kantonen nämlich sind die Bildungsausgaben unter Druck – und überall haben die Schüler darauf keine Lust. Bald formierte sich ein eigentlicher «Whatsapp-Protest», wie ihn die «NZZ» nannte. Via Handy-Chats organisierten sich die Schüler über Kantonsgrenzen hinweg, über Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat mobilisierten sie für die Teilnahme an Demos.

Unterstützt werden sie vom Verband der Schweizer Studierendenschaften. «Es ist höchste Zeit, dass sich der Widerstand gegen die kantonalen Abbaumassnahmen überregional koordiniert», sagt Co-Präsident Josef Stocker. Denn es seien überall die gleichen Kräfte, die dazu führten, dass Gelder gestrichen und Leistungen abgebaut werden. «Zum Teil haben die gleichen Politiker, die darauf zu verweisen pflegen, dass die Bildung die wertvollste Ressource der Schweiz sei, keine Skrupel, bei der Bildung die Sparschraube anzuziehen», so der 26-Jährige, der in Zürich Mathematik studiert.

Politik reagiert mit Verständnis

Die Schüler und Studenten handeln ohne Absprache mit dem Lehrerverband. Dieser begrüsst die Aktion aber. «Es ist wichtig, dass nun auch jene aufbegehren, die den Preis für die Abbaumassnahmen bezahlen müssen», sagt Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Anders als bei einer Firma lasse sich bei der Bildung am Ende eines Jahres nicht messen, welche Erträge erwirtschaftet wurden. Geerntet werde langfristig. «Leider denken die meisten Politiker in viel zu kurzen Zyklen», kritisiert Peterhans. «Sie wollen bloss ihr Jahresbudget entlasten.»

Selbst die Politik reagiert mit Verständnis auf die Schüleroffensive. «Ich finde es gut, wenn sich die Jugendlichen mit politischen Vorgängen beschäftigen und sich für ihre Anliegen einsetzen», sagt der Luzerner Bildungsdirektor Reto Wyss (CVP). Allerdings müssten auch sie einsehen, dass nicht nur im Bildungsbereich, sondern bei allen staatlichen Aufgaben Geld fehle. Zudem habe sein Kanton trotz angespannter Lage zuletzt wiederholt investiert: etwa in eine neue Informatikmittelschule oder die Einführung eines zweijährigen Kindergartens.