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Slowakei Der rätselhafte Tod des Frantisek Gaulieder

In der Slowakei stand ein brisanter Entführungsfall kurz vor der Aufklärung. Mittendrin: ein zwielichtiger Präsidentensohn. Nun ist ein wichtiger Zeuge gestorben. Welche Rolle spielt der Geheimdienst?
Slowakisches Parlamentsgebäude in Bratislava

Slowakisches Parlamentsgebäude in Bratislava

Foto: Petr David Josek/ AP

In der Slowakei steht in diesen Tagen die Aufarbeitung eines spektakulären Entführungsfalls an: Vor mehr als zwanzig Jahren war Michal Kovac junior, der Sohn des damaligen slowakischen Präsidenten, verschleppt worden. Gegen Kovac junior lag damals ein internationaler Haftbefehl wegen millionenschweren Betrugs vor. Die Slowakei weigerte sich jedoch, den Präsidentensohn an ausländische Behörden auszuliefern. Am 31. August 1995 ging dann bei einem Grenzposten in Österreich ein anonymer Anruf ein. In unmittelbarer Nähe, so die Stimme am Telefon, läge in einem Mercedes ein betrunkener Mann, der international gesucht werde: Michal Kovac jun..

Wie sich herausstellte, war Kovac entführt, mit Alkohol abgefüllt, misshandelt und nach Österreich verschleppt worden.

Rasch fiel der Verdacht auf den slowakischen Geheimdienst und Regierungschef Vladimir Meciar - einen Gegner des Präsidenten. Schwer belastet wurden Meciar und der Sicherheitsapparat damals unter anderem von dem slowakischen Politiker Frantisek Gaulieder. Außerdem war ein Geheimdienstoffizier angeblich bereit, die Hintergründe der Tat offenzulegen - er wurde jedoch vor seiner Aussage durch eine Autobombe getötet. Eine von Regierungschef Meciar 1998 verfügte Amnestie verhinderte dann weitere Ermittlungen in dem Fall.

Genau diese umstrittene Amnestie soll nun kommende Woche durch eine Verfassungsänderung aufgehoben werden. Die Akte Meciar würde dann wieder geöffnet, und Frantisek Gaulieder hätte erneut als Zeuge gehört werden können.

Dazu wird es aber nicht kommen. Gaulieder ist am Samstag von einem Zug überrollt worden.

Seit zwei Jahrzehnten Morddrohungen

Die Ermittlungen zu den genauen Todesumständen laufen derzeit noch, aber ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter hat sich bereits zu Wort gemeldet: Peter Toth äußerte am Wochenende auf seiner Internetseite den Verdacht, Gaulieder sei zu den Gleisen getragen worden, da ein Spürhund der Polizei keine Gehspuren des Opfers finden konnte. Sein Tod sei am Samstag nicht durch die Kollision mit dem Zug verursacht worden, das legten angeblich Erkenntnisse der Behörden nahe, behauptete Toth. Die Polizei selbst wollte noch keine Details zu den Ermittlungen veröffentlichen.

Gaulieder war auch selbst Opfer eines Politikskandals. Nach seinem Austritt aus der Meciar-Partei HZDS wurde ihm 1996 gesetzeswidrig sein Parlamentsmandat aberkannt. Dafür wurde die Slowakei später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Der 66-Jährige hatte außerdem seit zwei Jahrzehnten zahlreiche Morddrohungen erhalten

Erst wenige Tage vor seinem Tod habe Gaulieder erneut Drohungen erhalten, berichtete Igor Matovic, der im Parlament von Bratislava die Protestbewegung "Gewöhnliche Leute" anführt, den Medien. Gaulieder habe mit ihm eine mögliche Kandidatur bei den Regionalwahlen im November erwogen, erklärte Matovic. Zuletzt habe sich Gaulieder mit dem Aufdecken von Skandalen in seiner Heimatstadt Galanta nahe Bratislava Feinde gemacht.

Aufklärung nach mehr als 20 Jahren?

War Ex-Regierungschef Meciar samt seinem Geheimdienst wirklich in die Entführung von Kovac junior verwickelt? Welche Rolle spielten die Verdächtigen bei dem Tod der beiden Zeugen?

Kovac junior, gegen den damals wegen Betrugs ermittelt wurde, entging übrigens einer Verurteilung. Im Jahr 2000 stellte ein Gericht das Verfahren aus Mangel an Beweisen ein. In der Slowakei waren zwischenzeitlich ebenfalls Untersuchungen gegen ihn eingeleitet worden. Sie liefen jedoch ins Leere: Kovac' Vater, der Präsident, hatte eine Amnestie für seinen Sohn erlassen.

cst/dpa