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Retro-Vergnügen: So sieht "Thimbleweed Park" aus

Foto: Terrible Toybox

Adventure "Thimbleweed Park" Klick, Klick, Flashback

Der Adventure-Klassiker "Monkey Island" prägte die Jugend von Millionen. Jetzt will sein Entwickler an diese Erinnerungen anknüpfen - mit einem neuen Spiel, das so tut, als wäre es von früher.

Das größte Geschenk, das Ron Gilbert seinen Fans hätte machen können, wäre ein neuer Teil von "Monkey Island". Aber dafür hatte er nicht die Rechte. Also hat er ihnen das zweitgrößte Geschenk gemacht - ein komplett neues Adventure, das aussieht und sich anfühlt, als wäre es vor 25 Jahren erschienen. Und das mit voller Absicht. Nostalgie ist das erklärte Ziel von "Thimbleweed Park".

"Das Spiel soll nicht so sein wie die Spiele früher", sagt Gilbert, als er "Thimbleweed Park" vorstellt. "Es soll so sein, wie die Fans die alten Spiele in Erinnerung haben."

Ron Gilbert ist unter Entwicklern eine Legende. Vor über 25 Jahren erfand er für die Spielefirma LucasArts (davor: Lucasfilm Games), gegründet von George Lucas, die Geschichte des jungen Guybrush Threepwood, der auszog, um ein "mächtiger Pirat" zu werden - in eben jenem "The Secret of Monkey Island", dem bis heute vielleicht bekanntesten Point-and-Click-Adventure.

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Nimm, ziehe, drücke

Point-and-Click beschreibt das Spielprinzip, das auch "Thimbleweed Park" einsetzt: Der Spieler steuert in dieser Art von Adventures eine (früher noch pixelige) Figur per Mausklick durch die Welt und hat dabei verschiedene Aktionen zur Verfügung, um mit der Umwelt zu interagieren, etwa: Geh, nimm, ziehe, drücke, sprich, benutze.

Gilbert ist ein Pionier dieses Genres, 1987 entwickelte er für das Abenteuerspiel "Maniac Mansion" eine Software namens SCUMM, auf der praktisch alle weiteren Adventure-Games von LucasArts beruhten: "Indiana Jones and the Fate of Atlantis", die "Monkey Island"-Reihe, "Maniac Mansion: Day of the Tentacle", "Sam & Max Hit the Road".

Über 600.000 Dollar per Kickstarter gesammelt

Wem diese Titel nichts sagen, dem sei versichert: Es gibt eine sehr große und treue Fangemeinde, die mit diesen Spielen glückliche Erinnerungen verbinden. Niemand weiß das besser, als Ron Gilbert selbst. Immerhin waren es diese Adventure-Fans, die mit über 600.000 Dollar Kickstarter-Spenden "Thimbleweed Park" möglich gemacht haben. Veröffentlichungstermin? "Früh in 2017", sagt Gilbert, das Spiel soll für diverse Plattformen erscheinen.

Und wenn die Fans schon zahlen, sollen sie bekommen, was sie wollen. "Thimbleweed Park" ist pure Nostalgie: pixelige 8-Bit-Grafik, knifflige Rätsel, selbstreferenzieller Humor und Achtzigerjahre-Flair.

Ron Gilbert

Ron Gilbert

Es ist 1987 - das Jahr, in dem Gilbert "Maniac Mansion" rausbrachte -, wenn das Spiel beginnt: Mit einer Leiche, die in einem Tümpel liegt und deren "Pixel sich schon langsam zersetzen". Mit dem Fall beauftragt sind die Agenten Rey und Reyes, zwischen denen Spieler wechseln und die sich nicht wirklich leiden können. Die Ermittler machen sich auf in die nahegelegene Stadt Thimbleweed Park, um herauszufinden, was es mit dem Vorfall auf sich hat.

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"Twin Peaks" und Stephen King

Das ganze Spiel, von dem wir eine Vorabversion anspielen konnten, ist ästhetisch und erzählerisch an die Popkultur der späten Achtzigerjahre und frühen Neunziger angelegt. Die Agenten erinnern an Scully und Mulder aus "Akte X". Außerdem nennt Gilbert die Serie "Twin Peaks" als Vorbild für das Spiel, genau wie die Geschichten von Stephen King.

Gilbert sagt, gerade King sei ja "sehr gut darin, diese Geschichten aus den amerikanischen Kleinstädten zu erzählen, wo an der Oberfläche alles normal aussieht, aber eigentlich gehen ein Haufen seltsamer Sachen vor".

Wer sich durch "Thimbleweed Park" klickt und mit den Einwohnern spricht, bekommt schnell ein Gefühl dafür, was Gilbert meint - irgendwas stimmt nicht in dieser Stadt. Später wird man noch drei weitere Charaktere spielen können. Jeder Erzählstrang eröffnet mehr über diesen geheimnisvollen Ort und die Menschen, die dort wohnen.

Warum nichts Neues?

Point-and-Click-Spiele haben - nachdem sie jahrelang von der Bildfläche verschwunden schienen - in letzter Zeit wieder an Beliebtheit gewonnen. Das liegt vielleicht auch dran, dass es mit Tablets wie dem iPad eine ideale Plattform für diese Spiele gibt.

Vielleicht aber auch daran, dass die Leute, die als Kinder diese Spiele gespielt haben, jetzt selbst welche entwerfen. Der deutsche Entwickler Daedalic Entertainment etwa ist für seine Adventure-Games international bekannt . Und selbst Jan Böhmermann hat ein solches Klickrätselspiel zu seiner Show "Neo Magazin Royale" entwickeln lassen.

Aber warum macht ein Pionier der Adventure-Games wie Gilbert ein Spiel von früher, statt das Genre weiterzuentwickeln? Wieso gibt er sich mit Nostalgie zufrieden, anstatt etwas Neues zu schaffen?

Zunächst eine pragmatische Antwort: "Ich liebe einfach 8-Bit-Art", sagt Gilbert. Der Künstler, der alle Hintergründe für das Spiel entworfen habe, sei derselbe wie in "Monkey Island": "Jeder einzelne Pixel ist von Hand platziert." Vor allem aber wollte Gilbert selbst verstehen, worin der Charme dieser Spiele lag: "Was hat 'Monkey Island' und 'Maniac Mansion' so besonders gemacht - und was davon fehlt heute?"

Das Besondere an Point-and-Click-Spielen ist, dass Narrative und Rätsel ineinander verwoben seien, meint Gilbert nun. Und auch in "Thimbleweed Park" geht es nicht darum, ein Puzzle zu lösen, um in den nächsten Raum vorzudringen - und so im Level weiterzukommen. Die Puzzles sind die Geschichte.

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"Es gibt so eine Art von Spielen, ich nenne sie 'press a to continue', die nehmen den Spieler an der Hand und führen ihn durch die Geschichte", sagt Gilbert. Er selbst finde es besser, wenn der Spieler die Geschichte vorantreibt.

Spiele für den Kopf

Tatsächlich sind Point-and-Click-Adventures Spiele für den Kopf. Nicht Reaktionen, Feinmotorik und Taktik sind gefragt, sondern abstraktes Denken und Fantasie. Das macht sie nicht zu besseren Spielen oder ihre Spieler zu schlaueren Menschen. Aber es lässt sie aus der Gaming-Landschaft herausstechen, heute erst recht.

"Das Spiel, das damals Point-and-Click-Adventures gekillt hat, war 'Doom'", findet Gilbert. Der 1993 erschiene Shooter habe ein komplett neues Publikum zu Computerspielen gebracht. "Vorher spielte sich viel im Kopf ab, es gab Rätsel, man musste viel denken", sagt er. "'Doom' war nur Action". Der Shooter habe auch einen Trend vorgegeben, welche Art von Spielen besonders erfolgreich sein würde.

Große Firmen hätten heute kein Interesse mehr an Point-and-Click-Adventures, lautet eine Erkenntnis des Entwicklers. "Spiele wie 'Thimbleweed Park' können nur auf kleiner Ebene erfolgreich sein - für Leute wie uns." Das sei aber auch positiv, betont Gilbert, weil es zeige, "dass es in der Spieleindustrie Nischen gibt". Und Nischen bedeuten Freiheit: kein Management, das einem reinredet.

Ein langsames Spiel

Gilberts neues Werk ist ein langsames Spiel, das ist jetzt schon abzusehen. Man sitzt teilweise vor dem Bildschirm und spielt gar nicht - weil man nachdenkt, wie man weiterkommt. Welche Gegenstände muss ich finden, um diese Maschine zum Laufen zu bringen? Wie vertreibe ich die ehrgeizige Lokalreporterin, um etwas aus ihrem Büro zu klauen?

"Thimbleweed Park" wird außerdem ein liebevolles Spiel, nicht nur wegen Charakteren und der Detailliebe. Denn sogar die Fans selbst sind im Spiel verewigt. Im Spiel gibt es eine große Bibliothek, von jedem Buch sind zwei Seiten lesbar - die Texte haben Fans geschrieben und eingesendet. Und es gibt auch ein Telefonbuch in der Stadt, die Nummern kann man im Spiel anrufen. Zu hören bekommt man dann Anrufbeantworter-Ansagen, die Kickstarter-Spender aufgenommen haben.

Die Fans selbst machen sich so hörbar, sie zeigen, dass Adventures noch lange nicht tot sind, allen Blockbustern aus Genres wie Action oder Sport zum Trotz. Jetzt muss "Thimbleweed Park" nur noch fertig werden - aber von Adventure-Fans weiß man ja immerhin, dass Hektik nicht ihr Ding ist.

Hintergrund: Produkttests im Netzwelt-Ressort