Sicherheitspolitik: Polen und das Misiewicz-Problem

Bartłomiej Misiewicz. Bild: P. Tracz/Kancelaria Premiera/gemeinfrei

Scharenweise haben bereits Offiziere wegen des 26-jährigen exzentrischen Sprechers des Verteidigungsministers verlassen, der In der PiS-Partei über viel Insiderwissen verfügen soll

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Das Verteidigungsministerium gilt in Polen als die am meisten umstrittene Dienststelle. Ihr Chef Antoni Macierewicz duldet keinerlei Widerspruch und erträgt nur loyale Mitarbeiter. Bereits 30 Generäle (davon die höchststehenden mit NATO-Erfahrung) und 250 Oberste haben die polnischen Streitkräfte seit Regierungsbeginn der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) freiwillig und unfreiwillig verlassen.

Im Fokus der Öffentlichkeit steht zudem Macierewicz's Sprecher Bartlomiej Misiewicz, 26 Jahre alt, ein ehemaliger Apothekengehilfe und Student der Medienuniversität von Radio Maryja, der sich wie ein Sonnenkönig benimmt.

Er lässt hohe Offiziere vor sich stramm stehen und salutieren, Offiziere einen Sonnen- oder Regenschirm über sich halten und treibt so viele verdiente Soldaten des Landes zur Weißglut. Für Kontroversen sorgte auch, dass Misiewicz eine Goldmedaille zur "Verteidigung des Vaterlandes" verliehen wurde.

General Waldemar Skrzypczap, einer der besten Offiziere des Landes mit Irak-Erfahrung, sei nach Kritik am Benehmen von Misiewicz entlassen worden, berichten liberale Medien. Auf der anderen Seite machen viele Militärs den Kult mit, so sollen sie ihm bei einem Truppenbesuch schon mal eine Art Thron gebastelt haben.

Für Kritiker der Regierung ist der pausbäckige Misiewicz, welcher unter dem Schutz der Militärpolizei durchs Land rauscht und bei einem Diskobesuch den DJ zwingt, ihn anzukündigen, ein Syndrom für den neuen Stil in Warschau: Bei wichtigen Stellen wird nicht auf Kompetenz, sondern auf Parteinähe geachtet. Bereits als Zwanzigjähriger trat er der Partei bei und kam rasch zum engeren Kreis um Macierewicz.

Im Herbst wurde er schon zwangsbeurlaubt, doch Macierewicz konnte die geplante Entlassung rückgängig machen. Sollte sein Vertrauter gehen müssen, wäre dies ein Gesichtsverlust für den Siebzigjährigen.

Auch der sonst allmächtige Parteichef Jaroslaw Kaczynski scheint Hemmungen zu haben, hier durchzugreifen, obwohl er zweimal in Interviews eine Entlassung befürwortet hatte. Nach Roman Giertych, einst Erziehungsminister und Vizepremier in der ersten PiS-Regierung vor zehn Jahren und nun passionierter Gegner der PiS, verfügt Misiewicz über zu viel Insiderwissen. Er könne Macierewicz "versenken" und dieser dann Kaczynski. Die Gerüchteküche kocht.

Misiewicz bekämpft auf eigenwillige Weise auch russische Desinformation

Macierewicz soll mit Kaczynski treu verbunden sein, aber er war schon Dank seiner Leidenschaft für Agentengeschichten und Verschwörungstheorien vor den Wahlen im Herbst 2015 als Politiker so berüchtigt, dass die angehende Premierministerin Beata Szydlo das Wahlvolk anlog und erklärte, dass der weitaus bedächtigere Jaroslaw Gowin Verteidigungsminister werde.

Neben dem Auswechseln der Kader gilt die "Armee zur Gebietsverteidigung" (WOT) als sein Hauptprojekt. Die Freiwilligeneinheiten, die bis 2019 auf 53.000 Männer und Frauen stark sein sollen, sollen sich als erstes einem russischen Hybridkrieg auf polnischem Territorium in den Weg stellen.

Gegen russische Desinformation wurde zudem die Internetseite dezinformacja.net erstellt. Ihr Leiter - Bartolmiej Misiewicz, der zusammen mit einem Journalisten der rechten Zeitung "Gazeta Polska" daran bastelte. In den bislang erschienen zwei Artikeln wurden jedoch allein polnische Kritiker der Regierung gegeißelt. Ein Text befasst sich mit General Skrzypczap und der Widerlegung seiner Vorwürfe gegen den medienpräsenten Sprecher des Ministers.

Am Freitag wurde der Inhalt der Seite nach einer Woche im Netz gelöscht, zu lesen ist ein umständliches Dankesschreiben an die bisherigen Interessierten zum Thema Desinformation (140.000 Internauten, wie die Internetnutzer bezeichnet werden). Ob dies nun der Anfang vom Ende des Sprechers ist, bleibt offen. Das Misiewicz-Rätsel harrt noch seiner Lösung.