Mit 102 Jahren Computerpionier Heinz Billing verstorben

Redakteur: Sebastian Gerstl

Heinz Billing, Physiker und Pionier der Datenverarbeitung in Deutschland, ist tot. Er sei am Mittwoch in Garching bei München im Alter von 102 Jahren gestorben, gaben Angehörige am Sonntag bekannt. Der in Salzwedel geborene Billing war einer der Ersten, der nach dem Zweiten Weltkrieg im Bereich der EDV in Deutschland arbeitete.

Heinz Billing (links) und Konrad Zuse (mitte) auf der SYSTEMS '91 bei einer GEOFOX-Präsentation. Der in Salzwedel geborene Computerpionier verstarb vergangenen Mittwoch im Alter von 102 Jahren.
Heinz Billing (links) und Konrad Zuse (mitte) auf der SYSTEMS '91 bei einer GEOFOX-Präsentation. Der in Salzwedel geborene Computerpionier verstarb vergangenen Mittwoch im Alter von 102 Jahren.
(Bild: gemeinfrei / GeorgHH / Wikimedia Commons / CC0 )

1914 wurde Billing als Sohn eines Lehrers und späteren Schulrektors in Salzwedel geboren. Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Physik in Göttingen und München und wurde bereits mit 24 Jahren zum Doktor der Physik promoviert. Er arbeitete bei der Aerodynamischen Versuchsanstalt (AVA) in Göttingen und nach dem Krieg bei deren Nachfolgeinstitution, dem Institut für Instrumentenkunde in der Max-Planck-Gesellschaft. 1947 gehörte Billing neben Konrad Zuse zur deutschen Delegation, die sich am National Physical Laboratory in Teddington mit britischen Computerfachleuten und anderen Wissenschaftlern austauschen, darunter der Informatik-Theoretiker Alan Turing.

Bei dieser Gelegenheit lernte Billing zwar das Binärsystem (Nullen und Einsen) kennen, die Briten verschwiegen jedoch ihre Speichertechnologie. Daraufhin erfand Billing den Magnettrommelspeicher, für den er 1987 den ersten Konrad-Zuse-Preis überhaupt erhielt. Der Physiker Werner Heisenberg holte Billing 1950 ans Max-Planck-Institut für Physik, ebenfalls in Göttingen. Dort entwickelte er den ersten deutschen Elektronenrechner G1, der für astronomische Berechnungen eingesetzt wurde. In der Folge entstanden die Nachfolgemodelle G2 und G3, ebenfalls für die Astrophysik, bevor IBM-Computer aus den USA die Eigenproduktionen ablösten.

Auch im Feld der Gravitationsphysik waren Billings Leistungen bemerkenswert. Anfang der 1970er-Jahre versuchte er, die Messungen von Gravitationswellen zu reproduzieren, wie sie der amerikanische Physiker Joseph Weber behauptete. Billing und sein Team wiederholten die Messung mit maßgetreuen Nachbauten und führten zusammen mit einem gleichartigen Zylinder-Projekt in Frascati die längste und damals empfindlichste Koinzidenzmessung durch. Webers Messungen wurden dabei eindeutig widerlegt. 1975 griff Billing den Vorschlag von Rai Weiss vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) auf, Laser-Interferometer für die Messung von Gravitationswellen einzusetzen. Ab 1980 ließ Billing in Garching bei München ein solches Gerät mit einer Armlänge von 30 Metern bauen. Ohne diesen Prototypen und die daran gewonnenen Erkenntnisse wäre das Projekt LIGO zur damaligen Zeit sicher noch nicht entstanden, bestätigte Rai Weiss 2013.

Billings Emeritierung im Jahr 1982 war nicht das Ende seines Einflusses auf die Arbeit an den Gravitationswellen. Denn insbesondere die erfolgreichen, unter ihm gestarteten Experimente, und die in den frühen 1980er-Jahren erreichten Empfindlichkeiten führten zum ersten Vorschlag für den Bau eines deutschen Gravitationswellen-Detektors mit einer Armlänge von drei Kilometern. Mitte der 1990er-Jahre begann schließlich der Bau von Gravitationswellendetektoren in Deutschland (GEO600), den USA (LIGO), Italien (Virgo) und Japan (TAMA). Die deutsch-britische GEO-Kollaboration ist mittlerweile weltführend in der Entwicklung neuer Detektortechnologie. Beispielsweise gehören die für GEO600 entwickelten Laser-Systeme zu den Kernkomponenten der nächsten Generation der US-amerikanischen LIGO-Detektoren.

Der in Salzwedel geborene Forscher erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie das Bundesverdienstkreuz und den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Zu Billings Wegbegleitern und Förderern zählten etwa der Ingenieur Konrad Zuse und der Physiker Werner Heisenberg.

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