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Vor Merkels Besuch Polens Außenminister wirft Deutschland Egoismus vor

Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Warschau hat Polen Kritik an Berlins Politik geübt. Außenminister Waszczykowski sagte, Deutschland verfolge oft "ausschließlich das eigene Ziel".
Witold Waszczykowski

Witold Waszczykowski

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Wenn die Kanzlerin am Freitag nach Warschau kommt, dann geht es auch darum, Spannungen abzubauen. Spannungen, die sich in der Flüchtlingskrise verstärkt haben. Angela Merkel trifft sich mit der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo und anschließend mit den Regierungschefs der sogenannten Visegrad-Gruppe, zu der auch Tschechien, die Slowakei und Ungarn gehören. Alles Länder, die Merkels Politik und die europäische Verteilung der Schutzsuchenden nach Quoten blockieren.

Es dürfte also kein leichter Besuch für die Kanzlerin werden. In Polen jedenfalls wird Merkel nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen. Das machte nun auch Außenminister Witold Waszczykowski in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa deutlich. Darin warf der Politiker Deutschland vor, es agiere in der Außenpolitik vielfach zu egoistisch.

"Oft sehen wir die Absicht, ausschließlich das eigene Ziel zu verfolgen", sagte Waszczykowski. "Natürlich hat dazu jedes Land das Recht, aber manchmal würden wir in bestimmten Angelegenheiten eine gewisse Kompromissbereitschaft erwarten", sagte er.

"Schadet der europäischen Solidarität"

Als Beispiele nannte der polnische Chefdiplomat den geplanten Bau der Ostseepipeline von Russland nach Deutschland, der von den osteuropäischen EU-Mitgliedern scharf kritisiert wird. Das Projekt basiere nicht auf wirtschaftlichen Kalkulationen, sondern sei politisch motiviert, sagte er. "Das schadet der europäischen Solidarität." Deutschland solle seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland nicht auf Kosten seiner Beziehungen zu Polen ausbauen.

Außerdem kritisierte Waszykowski deutsche Zweifel an der Stärkung der Nato-Truppen in Osteuropa. Er nahm dabei Bezug auf eine Aussage von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der hatte vor dem Nato-Gipfel im Juli vor "Säbelrasseln" des Bündnisses gewarnt, wollte das aber nicht als Kritik an Manövern oder Truppenverlegungen verstanden wissen.

Bei dem Gipfeltreffen der Nato-Mitglieder wurde die Stationierung von jeweils etwa 1000 Soldaten in Polen, Litauen, Estland und Lettland beschlossen. Deutschland schickt mehrere Hundert Soldaten nach Litauen. Diese Entscheidung begrüße Polen, sagte Waszczykowski.

Keine "Zwangsumsiedlung" nach Polen

Der Minister betonte, dass bei der Flüchtlingsfrage die Sicherheit des eigenen Landes sowie die Sozial- und Beschäftigungspolitik im Vordergrund stehen müssten. "Nicht alle in Europa können sich so eine Politik, wie Deutschland sie vorschlägt, leisten. Viele Länder, darunter auch Polen, haben sehr begrenzte Kapazitäten und Möglichkeiten", sagte er.

Der Außenminister wandte sich gegen einen festen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge in Europa. "Was in dem Zusammenhang euphemistisch 'Umverteilung' genannt wird und wir als 'Zwangsumsiedlung' bezeichnen, kann bei uns nicht akzeptiert werden", sagte Waszczykowski. Polen habe schlechte Erfahrung mit dem Begriff der Umsiedelung. "Wir können jetzt nicht anderen Nationen, die vor dem Krieg fliehend nach Europa gekommen sind, eine Zwangsumsiedlung nach Polen bescheren."

kev/dpa

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