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Suche nach Flug MH370 Und jetzt Plan B?

Mehr als zwei Jahre hat die Suche nach dem Unglücksflug MH370 kein Ergebnis gebracht - und schon bald soll sie auf Eis gelegt werden. Forscher haben nun einen Ansatz vorgestellt, mit dem sich der Jet vielleicht doch noch finden lässt.
Ermittler mit einem Trümmerteil von MH370

Ermittler mit einem Trümmerteil von MH370

Foto: DPA / ATSB AUSTRALIA AND NEW ZEALAND

War es nur ein kleiner Zeitvertreib, um den Stress einer zerrütteten Ehe zu vergessen? Oder waren es die Vorbereitungen für einen Massenmord an 238 Unschuldigen? Was besagen die Wegpunkte, die US-Ermittler im "Microsoft Flight Simulator X" des Malaysian-Airlines-Piloten Zaharie Ahmad Shah gefunden haben? Sie wurden nach australischen Angaben nur Wochen vor dem Verschwinden des Fluges MH370 am 8. März 2014 in die Software eingefügt und später wieder gelöscht.

Klar ist: Der Kurs zeigt hinaus in den südlichen Indischen Ozean - also in das Gebiet, in dem die Boeing777 abgestürzt sein könnte. Bis heute fehlt von ihr jede Spur. Die Suche nach dem Flugzeug basiert aktuell auf der Annahme, dass der Jet zumindest in der letzten Phase seines Fluges ohne menschliches Eingreifen unterwegs war - und dann irgendwann mit leeren Tanks ins Meer stürzte.

Sollte aber doch ein Pilot am Steuer gesessen haben, müsste an ganz anderer Stelle gefahndet werden. "Wenn man sich von der Annahme verabschiedet, dass das Flugzeug autonom geflogen ist, dann könnte es so gut wie überall sein", sagt der Ozeanphysiker Eric Jansen vom Euro-Mediterranean Center on Climate Change im italienischen Lecce. Dank Computersimulationen hat der Forscher aber durchaus präzise Vermutungen, wo das Wrack zu finden sein könnte: nördlich vom bisherigen Suchgebiet vermutlich.

Gedenken an die Opfer von MH370 (März 2014, in Kuala Lumpur)

Gedenken an die Opfer von MH370 (März 2014, in Kuala Lumpur)

Foto: Fazry Ismail/ dpa

Beim Joint Agency Coordination Centre, der in Australien für die Suche nach MH370 zuständigen Behörde, sieht man trotzdem keinen Grund für eine neue Suchstrategie . Die Informationen über den Flugsimulator seien schon länger bekannt, so die Behörden. Sie brächten aber nichts Neues zur Frage, was mit dem Flug tatsächlich passiert sei - oder wo das Wrack zu finden sein könnte.

Derzeit scannen Spezialschiffe des Unternehmens Fugro ein mehr als 120.000 Quadratkilometer großes Seegebiet vor der australischen Küste - also eine Fläche so groß wie Österreich und die Schweiz zusammen. Wegen des schlechten Wetters im Südwinter geht aktuell nicht allzu viel voran.

Doch immerhin: Mehr als 90 Prozent des Areals wurden schon unter die Lupe genommen. Erfolglos. Und wenn auch der Rest noch abgearbeitet ist, Ende des Jahres könnte es so weit sein, soll die Suche auf Eis gelegt werden. So haben es die zuständigen Regierungen von Australien, Malaysia und China erklärt.

Suchschiff "Fugro Discovery" (im September 2014)

Suchschiff "Fugro Discovery" (im September 2014)

Foto: AFP PHOTO / FUGRO

Forscher Jansen hat nun zusammen mit zwei Kollegen Simulationsergebnisse veröffentlicht, die einen Plan B liefern könnten - für die Zeit nach der aktuellen Suche. Ausgangspunkt sind die Funde von fünf Trümmerteilen. Ein erstes Stück der Unglücksmaschine war im Juli 2015 auf der zu Frankreich gehörenden Insel La Réunion im Indischen Ozean angespült worden. Später wurden weitere Funde gemeldet, unter anderem aus Mosambik und Südafrika.

Im Fachmagazin "Natural Hazards and Earth System Sciences"  stellen die Forscher nun folgende Frage: Wo muss ein Flugzeug ins Wasser gestürzt sein, damit Trümmerteile an den Orten stranden, an denen etwas gefunden wurde? Für die Antwort nutzen sie Driftmodelle, die sie mit Ozean- und Wetterdaten gefüttert haben. Die haben sie wieder und wieder laufen lassen.

Simulationen, die nach einem Crash ein wahrscheinliches Auftauchen der beobachteten Trümmerteile an den jeweiligen Fundorten erkennen lassen, wurden dann höher gewichtet, andere niedriger. Das Ergebnis ist ein mögliches Absturzgebiet, das Teile des aktuellen Suchbereichs umfasst - aber eben nicht nur:

Foto: SPIEGEL ONLINE

Derzeit fahnden die Schiffe entlang eines Bogens zwischen 32 und 35 Grad Süd (in der Karte: "Gebiet der Unterwassersuche)". Nach Ansicht von Jansen und Kollegen sollte das Suchgebiet aber eben von dort aus um Hunderte Kilometer nach Norden ausgedehnt werden - bis 25 Grad südlicher Breite (in der Karte: "Wahrscheinliche Herkunft der Trümmer").

Im Prinzip jedenfalls. Denn solche eine Ausweitung wird es nicht geben. Das haben die beteiligten Staaten ja angekündigt - und Jansen weiß auch warum: "Die Unterwassersuche ist extrem teuer." Konkret sind bis jetzt Kosten von 122 Millionen Euro aufgelaufen.

Nun aber kommt die Sache mit dem Plan B: Statt mit Spezialschiffen auf weiteren riesigen Unterwasserflächen nach dem Wrack zu suchen, könne man auch ohne viel Aufwand an den Stränden des Indischen Ozeans nach Trümmerteilen Ausschau halten. Mithilfe neuer Fundorte ließe sich das existierende Modell in Minutenschnelle verfeinern, so die Forscher - und das Suchgebiet weiter eingrenzen. "Das ist eine gute Alternative", sagt Jansen. Ist die verdächtige Fläche einmal klein genug, so das Kalkül, könnte dort wieder im Wasser gesucht werden.

Analysen deutscher Forscher hatten zuvor schon auf ein Seegebiet nördlich des aktuellen Suchfeldes hingedeutet. Wissenschaftler um Arne Biastoch vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel hatten in Simulationen den Weg des ersten gefundenen Trümmerteils von la Réunion aus zurückverfolgt. Zu den Ergebnissen von Jansen und seinen Kollegen sagt Biastoch: "Das passt hervorragend zu unserem Modell."

Er selbst ist aus der Sache mit MH370 allerdings inzwischen raus. Zusammen mit Kollegen dreier europäischer Forschungszentren hatte er im Mai seine Ergebnisse für die australischen Behörden in einem Report  zusammengefasst. Von den Beamten habe man noch drei wissenschaftliche Nachfragen bekommen - seitdem nichts mehr gehört, sagt der Forscher resigniert. Aufdrängen wolle man sich aber auch nicht: "Da wir nie eine Antwort erhalten haben, sehen wir keinen Anlass für weitere Analysen."