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Deutschlands Doppelmoral Klimaschutz predigen, Kohlemeiler fördern

Die Bundesregierung gibt sich gern als Antreiber in Sachen Klimaschutz. Dabei verfehlt sie ihre eigenen Ziele: Maßnahmen zur CO2-Minderung greifen nicht - und ausländische Kohlemeiler werden mit deutschem Steuergeld gefördert.
Kohle-Tagebau und Kraftwerk bei Cottbus: "Müssen noch ehrgeiziger werden"

Kohle-Tagebau und Kraftwerk bei Cottbus: "Müssen noch ehrgeiziger werden"

Foto: Patrick Pleul/ picture alliance / dpa

Auf der Bühne fielen sie sich in die Arme, im Auditorium rieben sie sich die feucht gewordenen Augen, und auch die NGO-Vertreter in den Nebenhallen feierten am Samstagabend den Weltklimavertrag. "Ein wirklich bedeutender Schritt", frohlockte die Klima-Expertin Regine Günther vom World Wildlife Fund (WWF). Von einem "Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel" sprach Jan Kowalzig, Klima-Experte von Oxfam Deutschland.

Erfreut, wenngleich nicht ganz so euphorisch, ließ sich auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf dem Messegelände von Le Bourget vernehmen. "Wir müssen noch besser werden", deutete sie an, und man darf davon ausgehen, dass sie damit auch ihren eigenen Verantwortungsbereich meinte.

Denn Deutschland, so zeichnet sich immer deutlicher ab, wird seine eigenen Klimaschutzziele deutlich verfehlen. 2020 wollte man eigentlich 40 Prozent weniger Treibhausgase als im Referenzjahr 1990 emittieren. Doch die Zwischenbilanz für 2014, die das Umweltbundesamt im Januar veröffentlichen wird, macht wenig Hoffnung: Demnach lag Deutschland vor einem Jahr erst bei rund 28 Prozent weniger Treibhaus-Emissionen als 1990. Es fehlen also noch 12 nur schwer einzusparende Prozent.

Flop Emissionshandel

Dass das Ziel noch weit entfernt ist, geht auch aus einer Großen Anfrage der Grünen zur Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 hervor, die die Bundesregierung nun beantwortet hat. Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2014 hatte die Bundesregierung ein Aktionsprogramm vorgelegt, um bis 2020 rund 150 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Dabei sollten alle Sektoren, allen voran jedoch die Stromerzeugung, der Autoverkehr und der Gebäudebereich beträchtliche Emissions-Einsparungen erbringen. Große Hoffnung setzte die Bundesregierung zudem auf den Emissionshandel, den sie europaweit gerne wieder zum Laufen bringen würde.

Doch nun zeigt sich: Es wird ein ganz steiniger Weg. Die Bundesregierung wird die selbst gesteckten Ziele verfehlen, wenn sie das Tempo nicht ganz erheblich und für viele schmerzhaft steigert. Das ahnt wohl auch Ministerin Hendricks. "Wir müssen bis Mitte des Jahrhunderts aus der fossilen Energie ausgestiegen sein", sagte sie am Montag in Berlin. "Wir müssen noch ehrgeiziger werden."

Denn von Ehrgeiz konnte im ersten Jahr des Aktionsprogramms kaum die Rede sein. Im Straßenverkehr ist mittelfristig, befeuert durch niedrige Spritpreise, eher mit einem höheren als reduzierten CO2-Ausstoß zu rechnen. Der Individualverkehr bleibt auf einem hohen Niveau, und der Güterverkehr auf der Schiene wird - bei insgesamt weiter rasant steigendem Transportvolumen - keine zusätzlichen Marktanteile gewinnen können. Auch die Auswirkungen der Lkw-Maut auf den Modal-Split - also die Verteilung von Lkw-, Schienen- und Schiffsverkehr - dürften nach Auskunft der Bundesregierung "als gering anzusehen sein".

Kaum Verbesserungen bei Häusern und Landwirtschaft

Die Industrie trägt zu rund 20 Prozent zu den Emissionen bei, wobei die absoluten Mengen seit 13 Jahren nahezu stagnieren. Die Regierung bemüht sich, den darniederliegenden Emissionshandel zu reanimieren - mit offenem Ausgang.

Oder die Landwirtschaft, mit rund acht Prozent an den nationalen Emissionen beteiligt: Der Flächenanteil des ökologischen Landbaus soll in Zukunft 20 Prozent betragen. Nur, das Ziel ist Jahre alt, das Verhältnis von konventionellem zu ökologischem Landbau seither unverändert.

Auch die Dämmung von Gebäuden sollte einen erklecklichen Anteil zur CO2-Minderung beitragen. Geschehen ist bisher nichts. Lapidare Antwort der Bundesregierung in dem Fragenkatalog: "Allerdings konnte die notwendige Einigung mit den Ländern insbesondere zur Gegenfinanzierung nicht abschließend erreicht werden."

Für die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Bärbel Höhn (Grüne), ist die Zwischenbilanz nach einem Jahr Aktionsprogramm ziemlich ernüchternd: "Das war eine PR-Veranstaltung, in der Klimaschutzmaßnahmen aufgeschrieben, aber größtenteils nicht umgesetzt wurden."

Kohlefinanzierung im Ausland

Unglaubwürdig ist die Bundesregierung auch an anderer Stelle: Staatliche deutsche Banken sind munter weiter bei der Finanzierung von klimaschädlichen Kohlekraftwerken im Ausland behilflich. So geht aus einer Kleinen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Annalena Baerbock hervor, dass die KFW Ipex-Bank, eine Tochter der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), Kohlemeiler mitfinanziert. Und zwar im Kosovo, in Griechenland sowie der Türkei.

Auch staatliche Hermesbürgschaften für Exportgeschäfte in der Kohlebranche sind immer noch an der Tagesordnung. Auskunft gibt die Bundesregierung darüber nur ungern und zumeist unvollständig. Nach einer Recherche von Baerbock und ihren Mitarbeitern gab es im November 2015 staatliche Kreditgarantien für Kohleprojekte in Griechenland, Kroatien, Polen, Serbien, Türkei, Russland (2), Kasachstan, Südafrika, Vietnam sowie in der Dominikanischen Republik. Zwar gibt es neue Leitlinien der Bundesregierung, doch "sie haben bisher zu keinem evidenten Rückgang der ausländischen Kohlefinanzierung geführt", sagt Baerbock.

Zu den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umfragen (WBGU), den sich die Bundesregierung seit 1992 hält, passt all das jedenfalls nicht. Dirk Messner, Co-Vorsitzender des Beirates, sagte nach der Einigung von Paris: "Die EU und Deutschland sollten Entwicklungs- und Schwellenländer, Städte und zivilgesellschaftliche Netzwerke, die anspruchsvollen Klimaschutz beschleunigen wollen, besonders unterstützen."

Dazu würde ein glaubwürdiger Ausstieg aus der Kohleförderung gehören. Und so könnte auch Deutschland spätestens 2020 widerfahren, was Ministerin Hendricks für die Bundesregierung ahnungsvoll heraufdämmern sieht. Dass es nämlich auffällt, dass Ankündigen und Umsetzen bei dem vermeintlichen Klima-Musterschüler gehörig auseinanderdriften: "In der Weltöffentlichkeit steht man dann da und müsste sich rechtfertigen, warum man es denn nicht getan hat."