Zum Inhalt springen

Abgeschossener Kampfjet Russischer Pilot sagt, er sei nicht gewarnt worden

Der überlebende Pilot aus der abgeschossenen russischen Maschine hat sich geäußert: In einem TV-Interview gibt er an, vor dem Angriff nicht gewarnt worden zu sein. In Moskau eskalieren Proteste vor der türkischen Botschaft.
Flugzeugabsturz: Ein Pilot überlebte, der zweite kam ums Leben

Flugzeugabsturz: Ein Pilot überlebte, der zweite kam ums Leben

Foto: Anadolu Agency/ Getty Images

Das russische Fernsehen hat am Mittwoch Kapitän Konstantin Murakhtin interviewt - jenen Piloten, so hieß es in Moskau, der nach dem Abschuss seines russischen Kampfflugzeugs durch die türkische Luftwaffe in Sicherheit gebracht worden sei. Dem Sender sagte der Mann, dass dem Angriff durch die Türkei keine Warnung vorausgegangen sei, berichteten russische Nachrichtenagenturen.

Den russischen Angaben zufolge wurde der Pilot bei einem gemeinsamen Sondereinsatz syrischer und russischer Kräfte gerettet. Präsident Wladimir Putin sagte, der Soldat befinde sich auf der russischen Basis Hamaimim südlich von Latakia in Syrien. Er kündigte zum Schutz der Basis die Verlegung des Flugabwehrraketensystems S-400 nach Hamaimim an. Der zweite Pilot kam bei dem Absturz ums Leben.

Türkische F-16-Kampfflugzeuge hatten am Dienstag einen Bomber vom Typ Su-24 im türkisch-syrischen Grenzgebiet abgeschossen. Nach Angaben der türkischen Armee war die Maschine trotz wiederholter Warnungen in den türkischen Luftraum eingedrungen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte dagegen, die Su-24 sei über syrischem Gebiet geflogen.

In dem Interview sagte der Pilot zudem, er sei mit seiner Maschine nicht in türkischen Luftraum eingedrungen. Er könne "dies vollständig ausschließen, sogar für eine Sekunde", sagte er in dem von mehreren Fernsehsendern ausgestrahlten Beitrag. Darin ist der Pilot von hinten gefilmt und daher nicht zu erkennen.

Steine auf die Botschaft

In Moskau versammelten sich am Mittwoch aufgebrachte Demonstranten vor der türkischen Botschaft. Vor den Augen der russischen Polizei warfen sie mit Steinen Fenster ein. An der Kundgebung beteiligten sich rund 900 Demonstranten, zumeist Männer zwischen 20 und 30 Jahren, berichteten Augenzeugen.

Die wütende Menge rief Slogans gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie schleuderten Eier, Farbbeutel und Steine auf das Botschaftsgebäude. Mindestens 15 Fenster wurden demnach zerschmettert. "Erdogan Mörder" war unter anderem auf Plakaten zu lesen. Auf einem Spruchband stand: "Die Türkei wird kein Gas bekommen." Die Polizei forderte die Demonstranten zwar auf, den Protest abzubrechen, schritt aber nicht ein.

Der russische Reiseveranstalter Brisco stoppte inzwischen den Verkauf von Reisen in die Türkei.

Lawrow spricht von Hinterhalt

Russland wertet den Abschuss als "geplante Provokation". "Wir haben ernsthafte Zweifel daran, dass dies unbeabsichtigt war", sagte Außenminister Sergej Lawrow. Moskau habe genügend Informationen, dass der Abschuss im türkisch-syrischen Grenzgebiet geplant gewesen sei, sagte er. "Dies war ganz offensichtlich ein Hinterhalt: Sie warteten, beobachteten und haben einen Vorwand gesucht", meinte Lawrow.

Die Atommacht Russland werde nicht mit dem Nato-Land Türkei Krieg führen. Doch ohne Reaktion könne der Fall nicht bleiben, betonte er nach einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu.

Der türkische Präsident Erdogan setzt inzwischen auf Entspannung. "Wir haben nicht die Absicht, diesen Zwischenfall hochzuspielen", sagte er. Der russische Botschafter in Paris, Alexander Orlow, brachte für den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) einen "gemeinsamen Generalstab" mit den USA und der Türkei ins Gespräch.

Deutlicher noch als Präsident Erdogan sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, die Beziehungen zu "unserem Freund" Russland sollten nicht gefährdet werden. Nach dem Abschuss des Kampfflugzeugs vom Typ Suchoi Su-24 hatte der russische Außenminister Lawrow eine Türkei-Reise abgesagt. Präsident Wladimir Putin rief die russische Bevölkerung auf, nicht mehr in die Türkei zu reisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich für Entspannung ein. Sie habe Davutoglu gebeten, "alles zu tun, um die Situation zu deeskalieren", sagte sie im Bundestag.

ler/AFP/dpa/Reuters