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Verteidigungsministerium Geld verbraten fürs Beraten

Ministerin von der Leyen wollte Unternehmensberater für ihre desolaten Rüstungsprojekte beauftragen - für 286 Millionen Euro. Doch kaum fragte der SPIEGEL im Ministerium nach, zog man dort die Ausschreibung zurück.
Von Gerald Traufetter und Otfried Nassauer
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: Will augenscheinlich eine dramatische Finanzsumme aus der öffentlichen Diskussion verschwinden lassen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: Will augenscheinlich eine dramatische Finanzsumme aus der öffentlichen Diskussion verschwinden lassen.

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Die Ausrüstung mangelhaft, neues Material viel zu teuer, geliefert mit oft jahrelanger Verspätung - die desolate Lage im Beschaffungswesen der Bundeswehr plagt die ehrgeizige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schon vom ersten Tag ihrer Amtszeit an.

Verantwortlich dafür ist vor allem eine Behörde in Koblenz, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), das ihrem Ministerium unterstellt ist. Die Zustände in der Mammutbehörde mit 5000 Beamten scheinen noch viel dramatischer zu sein als angenommen.

Wie der SPIEGEL in seiner neuen Ausgabe berichtet, hatte das Ministerium geplant, für 286 Millionen Euro Unternehmensberater anzuheuern, die die kostspieligen Probleme in den Griff bekommen sollen - ein rekordverdächtiges Vorhaben.

Bundesamt für Ausrüstung in Koblenz: Immer wieder Ärger mit Großprojekten

Bundesamt für Ausrüstung in Koblenz: Immer wieder Ärger mit Großprojekten

Foto: WOLFGANG RATTAY/ REUTERS

Doch schon die Anfrage des SPIEGEL hat von der Leyens Haus offensichtlich so aufgeschreckt, dass am Freitagnachmittag die Ausschreibung zurückgezogen worden ist. Ursprünglich wollte das Ministerium die Berater für vier Jahre in das Koblenzer Amt schicken und die Beamten dort bei der Steuerung von Beschaffungsprojekten unterstützen.

Beispiele sind etwa das Transportflugzeug A400M oder der Schützenpanzer Puma. In einem Schreiben, veröffentlicht unter anderem auf den Internetseiten der EU, sind Beratungsunternehmen EU-weit aufgefordert worden, ihr Interesse an diesem Auftrag zu bekunden. Jetzt ist dieses Dokument hastig wieder zurückgezogen worden.

Insgesamt ging es dabei um "1225 Personenjahre", was rund 300 Vollzeitarbeitsstellen entspricht. Der Vertrag hätte sogar noch um bis zu drei Jahre verlängert werden können, was den Steuerzahler weitere 214 Millionen Euro gekostet hätte. Mit etwa einer halben Milliarde Euro würde es sich dann um einen der größten Beratungsaufträge handeln, die je aus dem Bundesetat vergeben wurden.

Wird der Großauftrag aufgesplittet?

Das Verteidigungsministerium will mit der Rücknahme seiner Ausschreibung augenscheinlich die dramatische Finanzsumme aus der öffentlichen Diskussion verschwinden lassen. Donnerstagnacht noch schickte das Ministerium eine Stellungnahme an den SPIEGEL, wo es die Ausschreibung bestätigte, beschwichtigend aber argumentierte, bei den 285 Millionen Euro handele es sich lediglich um einem "Schätzwert", der am Ende aber nicht zwingend ausgeschöpft werden müsse. "Die Großprojekte der Bundeswehr weisen unterschiedlich (arbeits-)intensive Projektphasen auf und bedürfen daher einer erhöhten Flexibilität im Managementbereich", so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zum SPIEGEL.

Am Freitagmittag dann ruderte das Ministerium plötzlich zurück, blies den Vorgang kurzerhand ab. Es räumt zwar ein, dass die Beratungsleistung weiter erforderlich und sowohl "lohnend" als auch "angemessen" sei. Doch wolle man erneut prüfen, ob die Aufträge an die Berater in "Lose" aufgeteilt werden sollten. So wäre dann auch der Gesamtbetrag der Beratungsleistung portioniert und keine derart hohe Einzelsumme mehr.

Die Opposition ist alarmiert: "Das Chaos in Koblenz muss noch viel größer sein als bisher bekannt", sagt Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner. Er verlangt nun Aufklärung über den Vorgang. In der kommenden Woche wolle man im Berichterstattergespräch des zuständigen Haushaltsausschusses von den Vertretern des Ministeriums Details zu dem Großberatungsprojekt erfahren.

Im Haushaltsentwurf für 2016 ist das Consulting-Projekt nicht erwähnt. Es geht zurück auf einen Prüfbericht, den Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der Beratungsfirma KPMG im vergangenen Jahr anfertigen ließ. Darin forderten die Prüfer, das Projektmanagement und die Qualitätskontrolle bei Neubeschaffung von Rüstungsmaterial neu zu organisieren.

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