Enthusiastischer Forscher, scharfer Diagnostiker

Der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof ist 59-jährig gestorben. Er erlag am Sonntagmorgen seinem Krebsleiden. Mit seinem Tod verliert die Schweiz eine markante wissenschaftliche Persönlichkeit.

Rainer Stadler
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Der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof ist 59-jährig gestorben. Er erlag am Sonntagmorgen seinem Krebsleiden. (Bild: Christian Beutler / NZZ-Fotografenteam)

Der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof ist 59-jährig gestorben. Er erlag am Sonntagmorgen seinem Krebsleiden. (Bild: Christian Beutler / NZZ-Fotografenteam)

Der Zürcher Universitätsprofessor Kurt Imhof ist am Sonntag einem Krebsleiden erlegen. Der 59-Jährige hatte seit dem Jahr 2000 einen Lehrstuhl für Publizistikwissenschaft und Soziologie inne. Mit seinem Tod verliert die Schweiz eine markante wissenschaftliche Persönlichkeit, die den medienkritischen Diskurs in den vergangenen Jahren stark geprägt hat. Imhof zählte nicht zu jenen Akademikern, die sich mit dem stillen Wirken im Elfenbeinturm zufriedengeben. Er suchte die Öffentlichkeit und die Auseinandersetzung mit dem, was sein Lebensthema war: die journalistischen Erzeugnisse und deren Auswirkungen auf die demokratische Öffentlichkeit. Frucht seiner unbändigen Arbeitslust waren unzählige Publikationen, die sich mit der Krise der medial vermittelten Öffentlichkeit, mit der Gefährdung des Privaten durch die alle Lebensbereiche durchdringenden Medien und mit der Unterwanderung des an der Vernunft orientierten Diskurses durch die Ökonomisierung der journalistischen Arbeitsprozesse befassten.

Die aufsehenerregenden Arbeiten bescherten ihm zahlreiche Feinde und Neider. Den grössten Widerstand provozierte Imhof mit dem 2010 erstmals erschienenen Jahrbuch zur Qualität der Medien, das einen negativen Trend hinsichtlich der aufklärerischen Leistungen der Schweizer Medienerzeugnisse kenntlich machte und das diesen Befund seither bestätigt hat. Von da an wurde Imhof für einflussreiche Personen in der Verlagsbranche zum roten Tuch. Er wurde dabei selber zur Zielscheibe dessen, was er als fragwürdigen Trend diagnostizierte: Journalismus im Dienste von Konzerninteressen, Reduktion von Sachfragen auf Personalisierung, Rudeljournalismus und mangelnde Sachkompetenz.

Imhof analysierte die Welt aus linker Perspektive. Die Nachwehen der 68er-Ära prägten seine Jugend, er las die einschlägigen linken Klassiker, und er bewegte sich in den entsprechenden Milieus. Er machte eine Lehre als Bauzeichner und entschloss sich erst nach deren Abschluss für eine akademische Karriere. Vielleicht war es auch diese berufliche Vorbildung, die seinen Realitätssinn schärfte. Er beherrschte die theorieschwere Debatte ebenso wie die griffige mündliche Rede. Einem breiteren Publikum wurde er bekannt mit seinen diversen Auftritten in der «Arena» und anderen TV-Diskussionssendungen. Einige waren irritiert von seinem unvermittelten, herzhaften Lachen, das allerdings manche steife Diskussion aufzulockern und festgefahrene Fronten aufzubrechen vermochte. Mit prägnanten wie auch provozierenden Aussagen schoss er manchmal übers Ziel hinaus, aber er traf zumeist den Kern einer Sache. Kurt Imhof beobachtete die medialen und sozialen Entwicklungen neugierig, lustvoll und tabufrei.

Ein grosses Anliegen war Imhof die Institutionalisierung der wissenschaftlichen Medienkritik und Medienanalyse. Dies gelang ihm mit der Schaffung des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft, für dessen Aufbau er während Jahren zäh kämpfte – zusammen mit seinen langjährigen Mitstreitern, die sein Werk nun fortsetzen.

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